Dienstag, 19. April 2022

Tag 0: Anreise nach Saint-Jean-Pied-de-Port

Nach drei Stunden Schlaf sind Lenchen, Lothar und ich um 4:30 Uhr zum Flughafen Brüssel-Charleroi aufgebrochen.

Dort angekommen habe ich mich nun für die kommenden Wochen schweren Herzens verabschiedet. Mir war kurz kotzübel, ich habe vor Aufregung gezittert, dann natürlich geweint, mich für bescheuert erklärt und Lenchen und Lothar haben mir dann quasi einen Schubs gegeben und ich ging also zu meiner heißgeliebten Sicherheitskontrolle.

Da ich meinen Lothar nicht dabei hatte, wurde ich nun erstmal auf Drogen kontrolliert. Dann haben sie sich noch meinen Rucksack vorgeknöpft. "Ob ich Cremes dabei habe" ... upsi, erwischt. Ich war aber ganz lieb und ehrlich und habe zugegeben, eine größere Tube Sonnencreme dabei zu haben. Die musste ich dann aus den Untiefen des Rucksacks rausholen, sie wurde analysiert und mir zuzwinkernd zurückgegeben.

Puh, geschafft ... erste Hürde gemeistert. Jetzt werde ich etwas ruhiger und kaufe mir erstmal für die nächsten Stunden eine leckere Orangina.

Dann natürlich zur Toilette und zum Gate. Da sitzt noch eine Frau mit Rucksack, Aha. Die Dame drängelt sich beim Boarding erstmal vor, blöd. Und ich denke kopfschüttelnd "typisch deutsch". Wer lesen kann ist klar im Vorteil, von wegen Priority Boarding und so.

Dann beim Boarding habe ich zwei weitere Damen hinter mir. Die eine fragt mich rundheraus, ob ich nach Santiago gehe. Und ich könnte doch mein Gepäck auch aufgeben. Leicht verwundert schauen sie auf meinen Rucksack. Sie starten wohl auch von St. Jean. Ich bin gespannt. Es ist noch unbegreiflich für mich, nun so lange weg zu sein und das alleine.

Im Landeanflug schwindet die letzte Hoffnung, dass sich Wetteronline.de vertan hat mit der Vorhersage. Wir fliegen durch eine einzige graue, dichte Nebelwand.

Am Flughafen angekommen stülpe ich erstmal das Raincover über meinen Rucksack, ziehe meinen Poncho über und dackel zum Buszeichen. Die zwei Pilgerinnen trinken erstmal genüsslich Kaffee im Flughafen, aber dazu bin ich zu angespannt. Ich frage mich mit meinem extrem gebrochenen Französisch zur richtigen Buslinie und fahre dann Richtung Bayonne Bahnhof. Dank des Handys verfolge ich über Google Maps, ob ich in die richtige Richtung fahre, denn von Pilgerströmen sehe ich gar nichts.

Es gießt und ich bin schnell klamm. Aber kalt ist mir nicht. Ich komme heil am Bahnhof an und wenn das Wetter trocken wäre, wäre Bayonne noch schöner. Es gefällt mir schonmal. Ich dackel also zum Bahnhof, kauf mir ein Ticket und nun muss ich 4 Stunden warten. Also hole ich mir erstmal ein Baguette und einen Kaffee.

Die Wartezeit ist echt lange und bei dem Regen ist mir kalt und ich bin nass, da mag ich nicht rumlaufen.

Kurz vor der Abfahrt nach Combo de Bains kippt im Bahnhof ein Mann nach vorne und regt sich nicht mehr. Viele Leute helfen sofort, der Notfall wird alarmiert und der Mann muss defibrilliert werden. Irgendjemand macht auch Herzdruckmassage. Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft der Krankenwagen ein. Wie es ausgegangen ist, weiß ich nicht, denn meine Fahrt geht nun endlich weiter.

Ich erwische beim Umsteigen einen Sitzplatz im Bus. Diejenigen, die keinen Sitzplatz ergattern, müssen auf einen weiteren Bus warten. Die Busfahrt ist echt schön, abgesehen vom Regen. Kaum angekommen Stiefel ich los zur Albuerge Municipal. Im Bus saß neben mir eine Belgierin und hat erzählt, dass es voll sei und man muss schnell schauen, ein Zimmer zu erwischen. Das schaffe ich. An der Rezeption sitzt zwar keiner aber englisch lesen bekomm ich hin und befolge die Anweisungen. Erledigt! Ich habe glaube ich ein gutes Bett erwischt. Jetzt lege ich erstmal den Rucksack weg und gehe mit meinem Pilgerausweis, den ich 2018 mit Lothar in Santiago der Compostela geholt habe, zum Pilgerbüro. Das Wetter beschäftigt mich sehr und ich möchte hören, was man hier rät. Schließlich soll es da oben in den Pyrenäen schneien. Nun muss ich lange anstehen und dabei gehen mir die Asiaten ziemlich auf die Nerven. Einer steht hinter mir sehr eng an. Zu eng nach 2 Jahren Corona. Naja,  irgendwann bin ich dran, bekomme meinen ersten Stempel, lerne die ersten Leute kennen. Dann telefoniere ich einmal mit Lothar und Anna-Lena. Sie ist durch den Wind denn sie wird bald nochmal Schwester (von väterlicher Seite - NICHT von mir).

Ich gehe Proviant für morgen kaufen, denn Lidl lohnt sich auch hier. Dann geh ich noch was essen, spontan mit meiner Bus-Nachbarin Marie aus Leuven und dann ab unter die heiße Dusche und ins Bett. Ich bin sehr aufgeregt, weil ich wettertechnisch immer noch nicht einschätzen kann, welchen Weg ich gehen soll.



Der Abschied fällt echt schwer

Ultreia ... Buen Camino

Das Flugzeug nach Biarritz



Regen, Regen, Regen

Bayonne bei Regen

Regen in Bayonne

Ein Pilger?


Im Bus nach Saint-Jean

Angekommen in Saint-Jean


Die Landschaft in den Pyrenäen


Der Weg zur Citadelle

Auf dem Weg zum Schlafzimmer


Das erste Bett in der Albuerge Municipal

Mein Bett No. 206


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